Inhaltsgaben – 4/2000

Ein unzeitgemässes Bibliotheksbild und die fehlenden Fachtermini im neuen Urhebergesetz von 1999

Pallósiné Toldi Márta

Der Beitrag analysiert das Urhebergesetz aus dem Jahre 1999 aus dem Gesichtspunkt der Praxis der digitalen Kultur in Bibliotheken. Das Gesetz enthält keine Begriffserklärungen, so hilft einem in seiner Interpretation bloß die Aufzählung von Fällen und Typen. Die Arbeitsgruppe Urheberrecht des Vereins Ungarischer Bibliothekare und des Verbandes der Bibliotheken und Informationsstellen hat über die schwer verständlichen Stellen des Gesetzes ein Diskussionsmaterial zusammengestellt. Die Gesetzgebung soll die geistige Schöpfung und das Recht des Verfassers schützen, und sie soll auch zur gleichen Zeit (im Falle der freien Benutzung) im Interesse der Öffentlichkeit den Zugang zu den Werken erleichtern. Die Finanzrechte des Verfassers bei freier Benutzung können – wenn es um unentgeltliche Dienstleistungen geht – begrenzt werden, wenn das Gesetz so disponiert. Die Inhaber der benachbarten Rechte vertreten aber die Interessen der Markt, und sie betrachten das Entgelt als Mittel des Interessenausgleichs: deshalb ist der Begriff „Benutzung” (Multiplizierung, Vertrieb, öffentliche Aufführung, Vermittlung an die Öffentlichkeit durch Sendung usw.) eine der Schlüsselfragen des Gesetzes. Das Gesetz versteht unter Vervielfältigung auch das Kopieren und die Übertragung des Werkes auf ein physisches Medium, es ist aber unklar, ob die elektronischen Informationsträger als selbständige und identisch zu behandelnde materielle Medien betrachtet werden können. Der Begriff der öffentlichen Aufführung wurde mit dem Anzeigen eines Werkes an dem Bildschirm ausgedehnt, und alle Arten des Datentransfers werden als Sendungen betrachtet. Es fehlt die Definition eines elektronischen Files, und deshalb ist es unklar, um welche Datenbanken es eigentlich geht. Die Interpretation der Gesetzregelungen ist auch im Falle interaktiver Benutzung problematisch; wenn die Bibliotheken das eventuelle Entgelt für die digitalen Dienstleistungen aus ihrem Etat auswirtschaften sollten, wären dazu einige öffentlichen Sammlungen nicht fähig, wenn sie aber das Entgelt auf die Benutzer übertragen hätten, wäre die Funktion des Chancenausgleichs der Bibliotheken verletzt worden. Es steht im Interesse der Bibliothekare, ihre digitalen Dienstleistungen als freie Benutzung zu betrachten.

Neue Formen, neue Themen und die Benutzung der elektronischen grauen Literatur
 
DOBÓ Katalin

In den älteren Definitionen der grauen Literatur (GL) war es ein gemeinsames Element, daß die GL schwer zugänglich ist, und sie ist im Buchhandel und -vertrieb nicht zu beziehen. In dieser Kategorie befinden sich auch die Dokumente, die durch die Regierungen und Forschungsinstitutionen veröffentlicht werden. Dank der nationalen und internationalen Regulierung ist es heute nicht mehr hoffnungslos, die GL nachzuweisen: zu ihrer Erschließung wurden Dokumentenlieferungssysteme und -zentren gegründet (z.B. BLDSC, INIST, NTIS usw.). Das Problem besteht aber weiterhin darin, wie man sich über die Existenz dieser Publikationen informieren kann. Die Datenbanken der GL werden nach Wissenschaftsgebieten oder größeren Themenkreisen organisiert: GL Compendium ist eine die Datenbank der GL der Wirtschaft und Business, ERIC erfaßt die GL der Unterrichts- und der Erziehungswissenschaft usw. Nach einer Schätzung (1993) beträgt die Quantität der GL die drei- bis vierfache der Anzahl der traditionalen Publikationen; ihre Gattung und Inhalte sind nach der Absicht der Herausgeber sehr verschieden. Eine italienische Erhebung (von D. Luzi) hat festgestellt, daß 61% der Forschungsinstitute auf ihren Web-Servern GL, in den meisten Fällen technische Berichte und Konferenzbeiträge, veröffentlichen und zitieren. Statt der Zeitschriften, deren Preis oft kaum zu bezahlen ist, benutzen Forscher immer lieber elektronisch zugängliche Informationen. Die akademischen Institutionen veröffentlichen GL unentgeltlich oder zu ermäßigtem Preis. Auch ein vorwiegender Teil der GL, die durch die Regierung veröffentlicht wird, steht den Benutzern kostenlos zur Verfügung, und ein wachsender Teil der GL kann im Internet frei benutzt werden.

Graue Literatur im Internet. Das europäische SIGLE-Projekt und -Datenbank

SALGÁNÉ MEDVECZKI Marianna

Graue Literatur (GL) ist eine innovative Form der wissenschaftlichen Kommunikation. Sie enthält wichtige Informationen, Forschungsergebnisse, neue Verfahren usw. Die Europäische Union hat den Verein EAGLE (European Association for Grey Literature Exploitation) ins Leben gerufen, um das System for Information on Grey Literature in Europe (SIGLE) zu organisieren und die wissenschaftliche GL auf den Gebieten der Sozial-, der Natur-, der Angewandten, Wirtschaftswissenschaft, der Medizin und Technik zu erschließen. Das Programm wurde im Jahre 1980 gestartet; sein wichtigstes Ergebnis ist die englischsprachige multidisziplinäre Datenbank mit Dateneingaben aus 15 Ländern. Die Mitgliedsstaaten werden durch nationale Zentren vertreten, die für die Sammlung der grauen Literatur des Landes zuständig sind, und Zugang zur SIGLE-Datenbank anbieten. Am Ende 2000 besaß die SIGLE-Datenbank 685.000 bibliographische Einträge (die meisten Einträge gehörten zur Wirtschafts- und Naturwissenschaft). Die erschlossenen Gattungen sind: Forschungsberichte, technische Berichte, Dissertationen, Beiträge, Konferenzmaterialien und Diskussionsbeiträge. Die Datenbank beinhaltet auch die nationale Datenbank der deutschen GL (FTN). Die nationalen Zentren liefern Titelaufnamen einheitlicher Struktur. Jeder Eintrag besteht aus den bibliographischen Angaben des Originaldokuments (Titel auf Englisch und/oder in der Sprache des Originals, Name des Verfassers, Name des Forschungs- oder Unterrichtsinstituts, Datum seiner Entstehung, Dokumententyp, Umfang und Sprache). Zur Sacherschliessung werden alphanumerische Kode verwendet. In den EU-Ländern kann die Datenbank durch Blaise und STN International online erreicht werden. Die Texte, die in der Datenbank erschlossen sind, können auch durch die nationalen Zentren bezogen werden. Ungarn ist im SIGLE durch die Zentralbibliothek der Budapester Technischen Universität als nationales Zentrum vertreten, das aber nur die Daten der an der TU verteidigten Dissertationen meldet.

Graue Literatur – auf Kommunikationsmodellen basierte Textstrukturen

BAKONYI Géza

Das Wesen der grauen Literatur kann als ein Modell der Kommunikation aufgefasst werden, die zwischen der herstellenden Körperschaft oder Institution als Verfasser und dem Benutzer abläuft. Der Beitrag untersucht die graue Literatur (GL) als Text, als „Message”, und verbindet ihr Lesen mit der Dominanz von extensiven Gattungen und mit der Verstärkung der Lesemöglichkeiten ohne das Buch zu kaufen, sowie mit dem Erscheinen des elektronischen Textes. Die Erschließung der GL spielt sich in Meta-Datenbanken ab; bei dem Aufbau dieser Meta-Datenbanken sollte man den Leserwünschen und den Eigentümlichkeiten der GL (z.B. der Interaktivität für die Benutzer, der Zugänglichkeit der Texte usw.) mehr Aufmerksamkeit widmen. Für die Beschreibung der verschiedenen Dokumententypen dient das MARC-Format, und als eine neue Methode, die Dublin Core, sowie eine auf die XML-basierte Technologie kommt in Frage. Die Metadaten, die ergänzenden Qualifikatoren und Datengruppen sollen definiert werden. Infolge der auftauchenden Fragen und der darauf zu gebenden Antworten stehen die Datenverarbeitungssysteme vor einer Umwandlung. In der Zukunft wird die traditionale, auf das Dokument konzentrierende Erschließung durch eine benutzerorientierte Erschließung abgelöst. Es werden Datenbanken entstehen, die Daten über beliebige Informationsquellen enthalten und einen allgemeinen Zugang zu Informationen ermöglichen werden.

Kurze Geschichte der ortskundlichen Tätigkeit in Ungarn

 
BÉNYEI Miklós

Der Beitrag gibt eine Übersicht über die wichtigsten Phasen in der Geschichte der ortskundlichen Tätigkeit in Ungarn. Im 18. Jahrhundert waren schon die Kenntnisse über die Wohnort im Schulunterricht vorhanden. Diese Kenntnisse über Heimat und Wohnort blieben im Lehrplan als Anforderung auch später vertreten. Die bürgerliche Entwicklung gab einen großen Anstoß den ortskundlichen Forschungen, und es erfolgte eine bewußte Sammlung von ortskundlichen Materialien, die in den Bibliotheksabteilungen von Museen oder in Archiven bewahrt wurden. Die erste ortskundliche Sammlung kam in Budapest in der Hauptstädtischen Bibliothek zustande, wo auch eine Sammlung von Zeitungsausschnitten entstand. Nach dem Trianon-Beschluß (1920) wurde auf die gebliebenen und abgetrennten Teile des Landes eine starke politische Aufmerksamkeit gelenkt, und die ortsgeschichtliche-ortskundliche Forschung und die bibliographische Tätigkeit genoß die Förderung des Staates. Außer der Budapest-Sammlung wurde nur in einigen Stadtbibliotheken, in der Universitätsbibliothek Pécs und in Gyor bewußte Sammeltätigkeit ausgeübt. Zwischen den zwei Weltkriegen hat das Unterrichtsministerium die Forschung von lokalen Werten in den Schulen weiterhin veranlaßt. Wo diese Tätigkeit von der Stadtbibliothek nicht unternommen wurde, übernahmen diese Rolle die Schulbibliotheken. Im zweiten Weltkrieg war ein bedeutender Teil der Sammlungen vernichtet, und die neu gegründeten Lehrinstitutionen betrachteten diese Sammeltätigkeit nicht als eigene Aufgabe. In den 50-er Jahren hat eine neue Etappe begonnen; in der Hauptstädtischen Bibliothek wurde die Budapest-Sammlung als selbständige Abteilung bald zum methodischen Zentrum dieses Gebietes, das die Entfaltung der ortskundlichen Arbeit mit ihrer Erfahrungen unterstützt hatte. In den 60-er Jahren wurde die heimatskundliche Bewegung neugeboren, die Ortsgeschichtschreibung hat sich belebt; eine Ministerialverordnung schrieb für die Bezirksbibliotheken die ortskundliche Tätigkeit vor. Als Ergebnis jener wurden Bibliographien zusammengestellt, eine methodische Anleitung veröffentlicht, und jährlich Landeskonferenzen organisiert, um die theoretischen Fragen der Erwerbung, der Erschließung, der Bibliographie und des Aufbaus von Datenbanken zu klären. Dieser Aufschwung ließ in den 80-er Jahren nach, aber er begann sich nun unter den veränderten Umständen wieder zu entwickeln. 1994 wurde im Rahmen des Vereins Ungarischer Bibliothekare die Organisation der Ortskundlichen Bibliothekare gegründet, um die interessierten Kollegen zusammenzufassen. Das Gesetz CXL von 1997 bestätigte, daß es eine der Grundaufgaben der Bezirksbibliotheken sei, die ortskundlichen Informationen und Materialien zu sammeln.

Datenbank der Tondokumente des Radio Free Europe/Radio Liberty in der Széchényi Nationalbibliothek

BÁNFI Szilvia

Die Gründung des Radio Free Europe wurde durch die politischen Verhältnisse nach dem zweiten Weltkrieg bestimmt. 1950 begann die experimentale Sendung in New York auf Ungarisch, von 1951 an wurde München das europäische Zentrum des RFE, das bis zu seinem Einstellen (1993) für die ungarischen Zuhörer die Meinung der Emigranten vermittelte. Nach seinem Einstellen wurde eine Kopie der Dokumentation der ungarischen Redaktion an die Széchényi Nationalbibliothek, die Materialien des Forschungsinstituts des RFE an die Stiftung Open Society (Mitteleuropäische Universität Budapest) übergeben. Die Originaldokumente gelangen in das Hoover-Institut (Stanford Universität, Kalifornien). Einen Teil des Vertrages bildete, daß die RFE-Dokumente in einer Datenbank für Zwecke der weiteren Zugänglichkeit zu erschließen sind. Nach der Erarbeitung der Regel der standardisierten Beschreibung werden die Dokumente in der Datenbank der Nationalbibliothek (AMICUS) erschlossen werden. Die Analyse des schon bearbeiteten Bestandes zeigte (es geht um 1394 Programme), daß die Mehrheit der abgeschriebenen Programme aus den 90-er Jahren stammte, und es blieben viel weniger Programme aus der Zeit der Wende zurück. Was die Programmtypen betrifft: eher blieben populärwissenschaftliche Programme erhalten. Da Dokumente über die Tätigkeit des RFE außer der Széchényi Nationalbibliothek auch in anderen Institutionen in Ungarn zu finden sind, wäre es wünschenswert, ein virtuelles RFE-Archiv aufzubauen.

Ungarische Lesekultur über die Grenzen. Eine Rundschau
 
KATSÁNYI Sándor

Der Autor gibt eine zusammenfassende Übersicht über die Ergebnisse der Forschung auf dem Gebiet der Lesekultur der Ungarn, die über die Grenzen leben, deren Lesekultur in Verbindung mit der ungarischen literarischen Kultur steht, und die zur gleichen Zeit einen multikulturellen Charakter hat. Unter der ungarischen Bevölkerung beträgt der Anteil von jenen, die meistens (und mehr) in der Sprache des betroffenen Staates als auf Ungarisch lesen, ca. 10%. Auch nach dem Inhalt des Lesematerials ist die Verbindung zur ungarischen Kultur sehr stark: die Bezugsquellen sind die Buchsammlungen der Familien und die Verleihungen von Freunden, die Bibliotheksbesuche sind weniger bedeutend. Die Lesefrequenz ist in Transsylvanien und in der Südslowakei ähnlich wie in Ungarn, aber in Karpaten-Ukraine und in den Nachfolgeländern von Jugoslawien sie ist niedriger. Was den Inhalt des Gelesenen betrifft, sind die wertvollen Lesestoffe in einer Mehrzahl in den Regionen über die Grenzen, und es werden weniger moderne Werke gelesen. Es kann festgestellt werden, daß eine Minderheit größere kulturelle Aktivität aufzeigt, wenn eine bewußte nationale Identität im Hintergrund steht.

 

 

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